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Tipp KW 13 – 2020

Sparen und Investieren Sie nicht am falschen Ende ihres Customer Services

Nahezu jedes Unternehmen – unabhängig von Branche oder Größe – durchläuft aktuell ein Hauptthema: Digitale Transformation. Viele von diesen Unternehmen sind auch Kundenservice Einheiten, Spezialisten bzw. Spezialanbieter im Bereich Kundenservice und, obgleich diese seit vielen Jahren im Markt agieren, klassifizieren sie diese Veränderung als die größte Herausforderung seit ihrem Bestehen.

Die Ausrichtung im Rahmen von agiler Entwicklung mit kürzeren Vorlaufzeiten, einer immer stärkeren Präsenz von Omnichannel-Ansätzen über digitale Kanäle wie Apps, Chatbots, virtueller Agenten bis hin zur Entwicklung von Big Data Datenmodellen zur erstmaligen Implementierung oder Erweiterung von KI im Kundenservice zieht sowohl den Fokus als auch begleitend entsprechende Investitionen mit sich. Kaum ein Unternehmensbereich möchte bei diesem Enthusiasmus und der „Race to Digital & AI“ nicht dabei sein.

Auch ich oute mich als Fan dieser innovativen und für mich spannenden Entwicklungen, da diese disruptive Veränderungen bedeuten können, bestehende Strukturen in Frage stellen und sie das Potenzial haben, den Kundenservice so wie wir ihn bisher kannten, in den nächsten Jahren zu revolutionieren.  

Und doch stellt man selbst bei hochdigitalisierten Unternehmen mit ausgefeilten Online Customer Strategien und inklusive guter Digitalisierungs-Angebote fest: Die Kunden rufen trotzdem weiter an und präferieren diesen Kontaktkanal, sofern er zur Verfügung steht und zum Teil deutlich gegenüber alternativen Optionen wie Chat oder E-Mail.

Dieses Phänomen im Kundenverhalten liegt nur zum Teil an besonderen Kundensegmenten, -Kategorien oder einem schlechten Service-Konzept und obgleich der Trend zu digitalen Services zunimmt, bleibt bei gleichbleibender Entwicklung dieses Trends die Telefonie noch für einige Jahre der Hauptkontaktkanal.

Umso wichtiger ist es, bei ihren Investitionen im Bereich Kundenservice eine realistische und angemessene Strategie zu etablieren und sich nicht von den aktuellen Trends blenden zu lassen.

  1. Prüfen sie nach ob sie wirklich von Digitalisierungsmaßnahmen profitieren

Natürlich klingt es auf dem ersten Blick sehr plausibel. Bieten Sie digitale Self-Services und mit X-Prozent reinem e-Care-Share, werden sie Y-Euro an Kosten im Kundenservice einsparen. Aber ist das tatsächlich so? Wenn Sie, als Leser einige der letzten Tipps der Woche gelesen haben, ist die Antwort eben nicht so einfach und eindeutig. Es kann Kontakte geben, die einen deutlichen Mehrwert haben, wenn sie nicht über einen Self-Service erfolgen, weil Verkaufsansprache und Empathie nicht die Stärken von digitalen Lösungen sind. Zudem kosten auch digitale Lösungen einen Invest, benötigen Kapazitäten und ob jedes Mal ein sinnvoller ROI dahinter steht, sollte genau geprüft werden.

Es ist auch nicht förderlich, ihren Kunden so viele Touchpoints wie möglich anzubieten. Sicherlich sieht es innovativ aus, wenn man alle trendigsten Kontaktkanäle anbietet, aber ist das wirklich der Differenzierungsfaktor, der ihren Kundenservice gegenüber dem Wettbewerb ausmacht und für sie optimale wirtschaftliche Ergebnisse liefert? Ist es auch aus Kundensicht nicht bequemer, sich auf eine überschaubare Anzahl wirklich relevanter Kontakt-Touchpoints zu konzentrieren?

  1. Werfen Sie einen Blick auf ihre aktuelle Technik in der Telefonie

Hand aufs Herz: Wie sehr haben sie das reale Telefonie-Erlebnis ihrer Kunden im Blick, wenn Telefonie tatsächlich der präferierte Kanal für ihre Kunden ist? In Zeiten von digitalen Lösungen über App und Web werden diese kontinuierlich über Customer Journey Mappings geprüft, Klickstrecken optimiert, um ein perfektes und intuitives Look and Feel zu schaffen. Trifft das auch auf ihre Telefonie zu? Wie gut ist ihre IVR auf ihre realen Kundenbedürfnisse konzipiert? Wie einfach ist es, sein Anliegen dort gezielt zu formulieren, zu einem Agenten direkt durchzukommen ohne dass dieser Sie im Gespräch an einen weiteren Agenten weiterleiten muss, weil er für den Sachverhalt nicht zuständig ist? 

Und ein weiterer Trend macht sich – leider – immer mehr bemerkbar: Schlechte Ton- Und Sprachqualität. Durch Einsatz von VOIP Lösungen, mit Dienstleistern zum Teil im Nearshore Bereich und gering dimensionierter Anbindungen oder verfügbarer Leitungskapazität klingen einige Kundenservice-Mitarbeiter in Peak-Zeiten und Randzeiten wie ein Ferngespräch in den 70er Jahren von Berlin nach Togo. Gleiches gilt auch für die Auswahl der Wartezeiten-Musik, die ebenso manchmal wie aus einem alten Grammofon klingt. 

Nun versetzen Sie sich kurz in die Lage eines Kunden, der – weil er vielleicht gerade zu einem ungünstigen Zeitpunkt anruft – mehr als 5 oder 10 Minuten in einer Warteschleife hängt und sich parallel fragt, ob er gleich im Anschluss einen Termin beim HNO-Arzt vereinbaren muss. Das gleiche trifft natürlich und insbesondere auch auf ihre Mitarbeiter zu, die einen natürlichen Instinkt entwickeln auf dem schlecht verständlichen Aussagen ihrer Kunden das richtige zu interpretieren und das ganze mehrere Stunden am Tag.

  1. Frontend-Systeme

Wie in einem der letzten Tipps aus dem Jahr 2019 bereits erwähnt, lohnt sich auch der Blick auf ihre eingesetzte Kundenservice-Frontend-Architektur. Ein Investment hier kann deutliche qualitative und finanzielle Vorteile vereinen und sie schaffen gleichzeitig eine erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit.

  1. Customer Experience Performance Testing & Monitoring

Um sicher zu gehen, dass ihre Investitionen und Strategien richtig ausgewählt sind und gezielt greifen, ist es unabdingbar, eine gute, transparente und vor allem rationale Bewertungsstruktur möglicher Investitions-Maßnahmen zu etablieren.

Diese vermeidet falsche Ansätze schon im Rahmen von Analysen und kann negative Gegeneffekte aufzeigen.

Fazit: Man muss nicht bei jedem Hype vorneweg laufen und obgleich digitale Transformation auch im Kundenservice sinnvoll und langfristig seine Rolle einnehmen wird, sollte man den wesentlichen Kontaktkanal ihrer Kunden nicht aus den Augen verlieren und mögliche Investitionen klug und mit Augenmaß unter dem Gesichtspunkt einer optimalen Kundenerfahrung tätigen.

Fern ab davon, dogmatisch zu argumentieren, ist daher ein wesentlicher und einfacher Tipp: Prüfen und rechnen Sie nach, wo sie für ihren investierten Euro die beste Kundenerfahrung herausholen und richten Sie so ihre Kontakt- und Service-Strategie aus.

Carlos Carvalho –  Senior Berater

 junokai

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