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Tipp KW 12 – 2019

Immer mehr Unternehmen haben in den letzten Jahren ihren Customer Service als neuen Vertriebskanal positioniert. Die offensichtlichen Vorteile liegen auf der Hand: Der Customer Service hat fachlich sehr gut geschultes Personal, hohes eingehendes Kontaktvolumen und die Vertriebskosten sind vergleichsweise günstig. Besonders Customer Service Dienstleister versprechen, personell gut für die neuen Salesanforderungen gerüstet zu sein und sie verfügen auch meist über entsprechende Kompetenzen und Erfahrungen an ihren Standorten in Form von Sales Trainern und Sales-Teams, die bereits erfolgreich vertrieblich für andere Auftraggeber tätig sind.

Wenn dann auch der Rollout von Sales in Service gut funktioniert hat, das Reporting steht, die Agenten Salesschulungen erhalten haben und entsprechend gecoached werden, der Dienstleister eng betreut wird und das Vergütungsmodell final verhandelt wurde, steht einem Sales in Serviceerfolg eigentlich nichts im Wege. In der Kick-off-Phase sind auch meist erste sehr gute Saleserfolge sichtbar. 

Leider tritt danach die Ernüchterung ein, wenn eine weitere Entwicklung der Salesperformance im Customer Service ausbleibt. Nicht selten liegt das an dem implementierten Vergütungsmodell. 

Wenn auf ein bestehendes Vergütungsmodell eine Salesvergütung aufgesetzt wird, besteht zu oft eine Konkurrenz dieser Vergütungsmodelle, die erst auf den zweiten Blick offensichtlich wird. Bestehende Vergütungsmodelle werden meistens durch eine optimierte AHT für den Dienstleister profitabel. Auch wenn die Salesprovision auf den ersten Blick attraktiv erscheint, sichert der Dienstleister den Löwenanteil seiner Marge im Projekt durch das Callhandling. Selbst Stückprovisionen von über 50,00 EUR sind für den Partner letztendlich uninteressant, wenn die Netto-Conversionrate des Produktes bei nur einem Prozent liegt und somit sehr viele Ansprachen erfolgen müssen, um einen Erfolg zu generieren. Entsprechend liegt der Schwerpunkt im täglichen Management auf den CC-Flächen. On top ist natürlich jeder gewillt, durch Sales mehr Geld zu verdienen. Dies funktioniert jedoch nur bei entsprechender Conversionrate und ohne wesentliche AHT-Erhöhung. Wenn der Dienstleister mit Support und Nachhaltigkeit der Führungskräfte die Salesanspachen forciert, geht er ins Risiko. Beim Steuern der AHT in erster Priorität ist er auf der sicheren Seite. Was nicht bedeutet, dass mehr Sales unbedingt eine höhere AHT zur Folge haben muss. Gute Mitarbeiter sind immer in der Lage, den Saleserfolg innerhalb ihrer ursprünglichen AHT-Vorgaben umzusetzen. Nur leider tut sich die breite Masse oft mit der Umsetzung von Sales anfangs schwerer und benötigt im Schnitt einige Sekunden länger, die für die Marge entscheidend sein können. 

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Auslastung. Gerade in der Zusammenarbeit mit mehreren Partnern kommt es vor, dass die Versorgung der einzelnen Dienstleister mit Calls ungleichmäßig erfolgt. Die Folge ist, dass der Partner, der mit Calls schlecht versorgt wird, erfahrenen Mitarbeitern die Möglichkeit gibt, Stunden ab zu bauen. Während neue Kollegen, die sich in einer Phase befinden, möglichst viel Praxiserfahrung zu sammeln, anwesend bleiben. Das Ergebnis ist eine Reduzierung der Verkaufszahlen und eine Verschlechterung der Conversionrate, die für den Dienstleister lange nicht so schmerzhaft sind, wie eine schlechte Auslastung.

In diesen Szenarien wird deutlich, dass der Dienstleister die Vergütungsmodelle besser versteht als sein Auftraggeber. Da er in der Regel in die Richtung steuert, die für ihn die profitabelste ist. Während der Auftraggeber sich wundert, weshalb die Salesperformance stagniert. Oft wird auf solche Szenarien auf Auftraggeberseite viel zu spät reagiert, da sich niemand die gegenüber dem Einkauf und Controlling die Blöße geben will, das gerade fertig verhandelte Vergütungsmodell wieder nachzubessern. 

Es kann aber auch der umgekehrte Fall eintreten, dass der Customer Service Dienstleister den Vorteil eines top profitablen Salesvergütungsmodells noch nicht komplett durchdrungen hat und deshalb die Managementaufmerksamkeit auf dem Thema fehlt. Dies tritt ein, wenn Entscheider beim Partner nicht über die finanziellen Chancen des Vergütungsmodells wissen und somit keine transparenten und interessanten Provisionsmodelle für die Mitarbeiter und Führungskräfte entwickelt wurden. 

Fazit: Das Auferlegen eines Vergütungsmodells des Auftraggebers beim Customer Service Partner ohne das klare Verständnis für das Zusammenwirken der Vergütungsmodelle kann bei der Entwicklung des Saleserfolges sehr viel Zeit kosten. Vergütungsmodelle sollten Optionen der Nachverhandlung enthalten, insbesondere dann, wenn sich in der Praxis zeigt, dass sie bei den aktuellen Gegebenheiten nicht greifen. Die partnerschaftliche Entwicklung eines Vergütungsmodells, in der beide Seiten die Interessen des anderen vollkommen verstehen und bei der Verhandlung berücksichtigen, ist eine Grundlage und entscheidend für den späteren Erfolg bei Sales in Service. 

Matthias Meyer (Berater)
junokai

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