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Tipp KW 12 – 2018

Immer mehr Unternehmen und Kundenservice-Einheiten haben verstanden, dass die Analyse einer Customer Journey ein sinnvoller und wertbringender Ansatz zur Verbesserung des Kundenerlebnisses ist. Aber wie kann man hieraus reale Optimierungen generieren? Wo liegen mögliche Risiken? Welche Möglichkeiten bieten Bots und AI? Was passiert außerhalb der sichtbaren oder messbaren Customer Journey und welche Chancen können hier genutzt werden?

1. Warum Google & Co. ihre ersten Servicemitarbeiter in einer Customer Journey sind

Vielfach wird vergessen, dass obgleich viele Informationen im eigenen Internetauftritt verfügbar sind, diese in Suchmaschinen nicht auftauchen oder nur sehr schwer auffindbar sind. Kunden sind heutzutage wenig gewillt eine langwierige Suche auf Unterseiten mit vielen oder zu wenig Details und reduzierten Möglichkeiten durchzuführen. Meist wird als erste Reaktion eine Abfrage in einer Suchmaschine durchgeführt und wenn man dort keine direkte Lösung findet, ein Kontakt mit dem Kundenservice initiiert. Es macht daher durchaus Sinn zu überlegen, wie gut man den eigenen Content insbesondere auch für Suchmaschinen optimiert und typische Kundenthemen in einer effizienten FAQ oder Suchfunktion prominent auf der eigenen Website integriert.

2. Warum nicht jeder zu automatisierende Kontakt auch als solcher automatisiert werden soll

Auch wenn der Reiz groß erscheint, generell alle automatisierbaren Kontakte aus Kosten- und Effizienzgründen nur noch im Selfservice bzw. automatisiert anzubieten, liegt hier ein großes Risiko, eine sehr negative Kundenerfahrung zu generieren. Oftmals liegen die Gründe für einen Kundenkontakt nicht in dem vom Kunden wahrgenommenen Auslöser, sondern haben einen Ursprung, der an einer ganz anderen und für den Kunden unsichtbaren Stelle liegt. Wenn hier aus Kundensicht einzig und allein nur noch ein automatisierter Prozess möglich ist, versperrt man die Möglichkeit, die Kernursache zu ermitteln und dem Kunden eine nachhaltige Lösung zu liefern. Somit ist der der nächste Folgekontakt vorprogrammiert. Bieten Sie daher jederzeit dem Kunden neben der Self-Service-Lösung oder im Anschluss eine weitere unterstützte Option zur Klärung seines Anliegens. Damit ermöglichen Sie auch, dass Kontakte mit Mehrfachgründen im Erstkontakt gelöst werden.

3. Was (Ro)-Bots und AI können – und was nicht

Aktuell unterbieten sich Prognosen zu wann bestimmte Tätigkeiten – wie auch solche im Kundenservice – vollständig durch intelligente Maschinen ersetzt werden. Dabei wird häufig übersehen, dass wesentliche Ursachen für einen Kundenkontakt auch einen emotionalen Ursprung haben, der aus Kundensicht eine wichtige Bedeutung hat und sich durch die rationale Beantwortung oder Bearbeitung einer Anfrage nicht auflösen lassen. Nehmen wir als Beispiel eine Situation, in der durch Streik, schlechte Wetterverhältnisse oder weiteren Gründen ein Flug storniert wurde. Bestehende Automatisierungen können über Apps direkte Kompensationen, einen Alternativflug oder ein alternatives Transportmittel anbieten. Dies mag auch für einen Teil der Betroffenen ausreichend sein. Allerdings können auch andere Bedürfnisse oder Probleme durch diese Situation entstanden sein, welche aus Kundensicht eine ganz andere Lösung benötigen würden. Als Kunde mit diesem individuellen Problem fühlt man sich in diesem Moment nicht wahrgenommen und die Entscheidung, zukünftig diese Airline wieder zu nutzen wird deutlich stärker hinterfragt. Für solche Situationen in der Customer Journey sollten parallele Kontakt- und Lösungsmöglichkeiten existieren, die allerdings in ihrem Portfolio kongruent sein müssen.

4. Warum kongruente Lösungen in unterschiedlichen Kunden-Touchpoints wichtig sind?

Fast jeder kennt diese Ratschläge:

– „Wenn Du ein gutes Angebot für ein Produkt X haben willst, darfst Du nicht online Deinen Vertrag abschließen, sondern musst Du vor Ort persönlich mit dem Verkäufer/Berater sprechen.“

– „Für ein gutes Angebot für eine Verlängerung Deines Mobilfunkvertrags musst Du zuerst Deinen Vertrag kündigen und bis fast zum Ende der verbliebenen Laufzeit warten, da dann die besten Rabatte kommen.“

Diese Liste lässt sich sicherlich erweitern, aber der Kern bleibt immer der gleiche. Kunden erfahren und erwarten dadurch an unterschiedlichen Touchpoints unterschiedliche Angebote und Lösungen, was dazu führt, dass zusätzliche und teilweise überflüssige Kontakte generiert werden und sich parallele Unternehmenseinheiten in Konkurrenz begeben. Als Konsequenz wird dann z.B. im Point-of-Sale dann der Hinweis zum Online-Selfservice unterschlagen oder als besondere Serviceleistung die eigene Rufnummer des Shops ausgegeben.

Wenn Sie unterschiedliche Kundenerlebnisse an unterschiedlichen Touchpoints generieren, werden Kunden langfristig die für sich besten Kanäle auswählen und diese manifestierte Erfahrung auf Kundenseite wird es schwer machen, diesen Trend auszugleichen oder umzukehren.

5. Konzipieren Sie Customer Journeys ganzheitlich

Eine wesentliche Erfahrung bei der Analyse oder Konzeption von Customer Journeys ist, dass es absolut wichtig ist, diese nicht in Isolation zu konzipieren, sondern alle Betroffenen zu Beteiligten zu machen. Hierbei ist auch auf die Elemente zu achten, auf die Ihr Unternehmen zunächst keinen direkten Einfluss habt, sondern welche allein auf Kundenseite entstehen und wahrgenommen werden. Bedenken Sie beim Design der Customer Journey auch Eventualitäten, die nicht im eigenen Einflussbereich liegen. Dies können konkurrierende, entstehende oder bereits vorhandene ergänzende Services von Wettbewerbern sein, aber natürlich auch wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Für bestimmte Produkte und Services sind sogar abstrakte Themen wie die Wetterverhältnisse ein maßgeblicher Faktor. Ist z.B. an einem Feiertag das Wetter tendenziell schlecht, steigt die Anzahl getätigter Einkäufe im Teleshopping und Online an und hiermit auch Kauf-Impuls-getriebene Anfragen an den Kundenservice.

6. Den Kunden bei aller Optimierung nicht aus dem Fokus verlieren

Und bei allen Customer Journey Analysen sollte ein wesentlicher Punkt im Zentrum stehen: Ihr Kunde ist nicht rational und emotionale Komponenten gehören in der Betrachtung dazu. Am Ende werden sich ihre Kunden nicht an ihr Logo oder ihre effizienten Prozesse erinnern, sondern daran, wie sehr sie durch Sie in ihren Bedürfnissen während der Interaktionen wahrgenommen wurden. Ein aus Unternehmenssicht vielleicht sinnvoller Prozess kann aus Kundensicht vollkommen missinterpretiert werden.

Statt radikale Veränderungen vorzunehmen ist es zudem ratsam, Optimierungen der Customer Journey kontinuierlich durchzuführen, damit diese besser nachvollzogen und vom Kunden mitgegangen werden können. Oder wie Goethe es treffend formuliert:
„Der Mensch soll immer streben zum Besseren, aber geht nicht zu weit! Denn die Natur gab uns auch die Lust, zu verharren im Alten und sich dessen zu freuen, was jeder lange gewohnt ist.“ (Quelle Goethe: Hermann und Dorothea 5)

– Carlos Carvalho (Berater)
junokai

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