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Tipp KW 12 – 2017

Eine der elementaren Herausforderungen im Kundenservice ist die Erreichung von Zielen auf bewegliche, sich gegenseitig beeinflussende Variablen. Beispiele hierfür können unterschiedliche Kontaktkanäle sein, die es gilt, alle mit gutem Servicelevel und so produktiv wie möglich innerhalb des Budgets zu bedienen. Oder auch die Wirkungsketten zwischen AHT, Kontaktvolumen, Kundenzufriedenheit, Zusatzverkäufen und Budget, die in einem engen, sich gegenseitig beeinflussenden Zusammenhang stehen. So lange alle Ziele und KPI erfüllt werden, ist alles gut. Aber Vorsicht ist geboten, wenn Abweichungen auftreten. Dann kann sehr schnell die gesamte Struktur aus den Fugen geraten, die gerade noch gut funktioniert hat.

Machen wir dies an Beispielen fest:

Beispiel 1: Das Unternehmen will alle Kontaktkanäle mit einem festgelegten Servicelevel und dafür vorgesehenen Budget bedienen. Das gelingt auch gut, bis plötzlich durch ein unvorhergesehenes Produktproblem die Servicelevel nicht mehr gehalten werden können. Die Erreichbarkeit sinkt im telefonischen Kanal, Liegezeiten bei E-Mails sorgen dafür, dass der Kunde wartet und auch der Chat-Agent steht dem Kunden nicht mehr wie gewohnt binnen weniger Sekunden zur Verfügung. Das Volumen, welches das Unternehmen trifft, ist einfach zu hoch, um weiterhin mit den bestehenden Ressourcen alle Kundenanfragen zu bedienen. Die einmal gesetzten Servicelevel sinken stetig.

Bildlich gesprochen kochen alle Töpfe auf dem Herd über. Was tut man in der Regel, wenn das passiert? Man nimmt einen Topf nach dem anderen schnell von der heißen Herdplatte, dann den nächsten usw… Niemand würde auf die Idee kommen, in diesem Falle langsam die Temperatur zu regulieren. Man handelt schnellstens.

Anders zeigt sich die Realität im genannten Beispiel der Kontaktkanäle. Viele Unternehmen schauen zu, wie die Servicelevel sich über alle Kanäle verschlechtern und sich womöglich wechselseitig negativ beeinflussen, in dem z.B. Kunden, deren schriftliche Anfragen nicht bearbeitet werden, dann auch noch anrufen, nicht sofort durchkommen und dann mehrfach anrufen.

In einem solchen Fall ist es elementar, bestimmt Kanäle umgehend zu stabilisieren, um das Problem nicht gleichzeitig auf allen Kanälen zu haben. Es empfiehlt sich die Stabilisierung des Telefonkanals, da in der Regel der Hauptteil des Kontaktvolumens heute noch darüber eingeht. Die Faustregel ist also, den Kanal mit dem größten Volumen zunächst wieder auf ein akzeptables Erreichbarkeits- und Servicelevel-Niveau zu bringen. Dann hat man zumindest eine Konstante und kann sich um kleinere Kanäle kümmern. Gerade wenn der telefonische Kanal stabilisiert ist und der Kunde auf seine Mail keine Antwort erhält, wird er sich ggf. telefonisch melden und der Agent kann dessen E-Mail gleich ebenfalls schließen.

Beispiel 2: Das Unternehmen hat sich ein Ziel gesetzt: Für das Jahr wurde ein Budget eingestellt, mit dem ein bestimmtes Kontaktvolumen zu einer festgelegten Durchschnitts-AHT (Average Handling Time) bearbeitet werden kann und damit wird eine voraussichtliche Kundenzufriedenheit erzielt, mit der wiederum eine gewisse Zahl Upsells in den Servicegesprächen möglich werden. Ein guter Plan! Über das Jahr plant man eine leichte Reduzierung der AHT, die dann leider nicht eintritt. Die AHT steigt sogar leicht. Kontaktvolumen, Kundenzufriedenheit und Upsell-Erfolge stimmen, nur leider wird das Budget nicht mehr gehalten. Was tun?

Die einen Unternehmen versuchen die guten Werte bei dem Kontaktvolumen, der Kundenzufriedenheit und den Upsells zu halten, weil sie Sorge haben, dass eine zu schnelle Reduzierung der AHT einen Abfall in den derzeit noch guten Kategorien zur Folge haben könnte. Die Konsequenz ist, dass das Budget fortwährend überschritten wird. Andere Unternehmen steuern sofort gegen die Zielverfehlung bei der AHT und dann steigen die Kontaktvolumen durch eine sinkende Sofortlösungsquote unkontrolliert. Das führt zu einer schlechteren Kundenzufriedenheit und damit zu weniger Verkaufserfolgen in den Servicegesprächen. Das steigende Kontaktvolumen übersteigt die AHT Einsparung und der Effekt auf das Budget erweist sich nicht als Erfolg.

Auch bei diesem Beispiel gilt es zu kennen, was die erste Priorität für das Unternehmen ist. Ist es die Budgeteinhaltung, sind es die Verkaufserfolge oder ausschließlich die Kundenzufriedenheit? Wenn man diese Prioritäten festgelegt hat, kann im Falle einer Zielverfehlung (in diesem Beispiel die der AHT) nach einem vordefinierten Schema verfahren werden, ohne dass wochen-, ja zum Teil monatelange Abstimmungen im Unternehmen jegliche operativen Handlungsalternativen ersticken.

Beide Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, für sich wechselseitig beeinflussende Faktoren im Kundenservice einen Plan zu haben, wenn nicht alles wie ursprünglich vorgesehen verläuft. Dass man davon ausgehen kann, dass nicht alles wunschgemäß läuft, zeigt die Praxis. Mit einem Plan oder zumindest einer Idee, wie man im Falle von Abweichungen verfahren will, ist ein Unternehmen gut ausgerüstet und nicht von situativen Ad hoc Entscheidungen abhängig. Aus den Erfahrungen unserer Beratungspraxis und aus jahrelanger Linienverantwortung in Customer Operations Organisationen kann ich jedem Kundenserviceverantwortlichen raten, sich solche Pläne zurechtzulegen. So kann man der Forderung nach „alles gleichzeitig und immer gut“ künftig geordneter begegnen.

– Henning Ahlert (Geschäftsführender Gesellschafter)
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