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Tipp KW 04 – 2016

Kundenloyalität ist existenziell wichtig für Unternehmen, denn sie garantiert wirtschaftliches Überleben. Das Buhlen um Kunden geschieht in der Regel mit dem Angebot von Produkten und Dienstleistungen, die aus der Sicht des Kunden einen Mehrwert bieten. Der Kundenservice im Zusammenhang mit verkauften Waren und Diensten wird von den Käufern als Teil des Produkts wahrgenommen und weist unterschiedliche Merkmale auf. So erscheint es nur logisch, dass die Gestaltung exzellenter Kundenservice-Merkmale sich sehr gut dazu eignet, den Kunden langfristig zu binden. Wie muss der Dienst am Kunden gestaltet sein, damit Unternehmen diesen als entscheidenden Wettbewerbsvorteil auslegen können?

In einem ersten Schritt macht es Sinn, sich Klarheit darüber zu verschaffen, welche Auswirkungen Kundenservice-Merkmale auf die Kundenzufriedenheit haben. Das Kano-Modell (KANO et al. 1984: 147-156) hilft dabei, Merkmalskategorien zu schaffen, indem es den Zusammenhang zwischen der Kundenzufriedenheit und der Erfüllung von Kundenanforderungen aufzeigt. Die wichtigsten Merkmalskategorien sind:

• Basis-Merkmale
• Leistungs-Merkmale
• Begeisterungs-Merkmale

Basis-Merkmale sind so grundlegend, dass sie vom Kunden als selbstverständlich vorausgesetzt und somit implizit erwartet werden. Bei Nichterfüllung von Basis-Merkmalen entsteht Unzufriedenheit bei Kunden, bei Erfüllung und sogar Übererfüllung jedoch entsteht keine besonders ausgeprägte Zufriedenheit. Basis-Merkmale lassen sich somit nur sehr eingeschränkt zur Differenzierung gegenüber dem Wettbewerber heranziehen. Beispiele hierfür sind im Kundenservice die Erreichbarkeit über Telefon, Brief und Email sowie die Erreichbarkeit zu normalen Bürozeiten.

Leistungs-Merkmale finden sich in den Kundenerwartungen explizit wieder und werden vom Kunden ausdrücklich gefordert. In Abhängigkeit des Erfüllungsgrades steigt oder fällt die Zufriedenheit des Kunden. Das bedeutet, dass wenn ein Unternehmen sich bei der Umsetzung von Leistungsanforderungen besonders Mühe gibt, es damit seine Kunden sehr zufrieden stellen kann und diese so an sich bindet. Die Erledigungsgeschwindigkeit von Kundenanliegen ist beispielsweise ein solches Leistungs-Merkmal.

Begeisterungs-Merkmale zeichnen sich dadurch aus, dass sie neben ihrem Mehrwert für den Kunden unerwartet angeboten werden. Diese Merkmale rufen Begeisterung hervor und eignen sich ausgezeichnet zur Differenzierung von den Mitbewerbern. Hier reicht bereits eine kleine Leistungssteigerung, um zu einem überproportionalen Nutzen aus der Sicht des Kunden zu führen. Im Kundenservice kann z.B. die Teleservice-Pannenhilfe bei Automobilen als Begeisterungs-Merkmal wahrgenommen werden.

Mittels Marktuntersuchungen, -beobachtungen oder -befragungen lassen sich die einzelnen Merkmale hinsichtlich ihres Effekts auf die Kundenzufriedenheit ermitteln. Bei der Anwendung dieses Modells sind weitere Aspekte zu beachten, um eine nützliche Hilfestellung bei der Entwicklung von Kundenservicemerkmalen zu erhalten. So ist die Erwartungshaltung gegenüber einem Produktmerkmal nicht für alle Individuen gleich. Des Weiteren steht die Beurteilung von Produkteigenschaften stets mit dem Produktpreis in Verbindung. Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass sich über die Zeit gesehen, die Wahrnehmung und Beurteilung von Eigenschaften verändern. Es entsteht ein Gewöhnungseffekt. Ein Begeisterungs-Merkmal kann zu einem Leistungs- und später zu einem Basis-Merkmal werden.

Was bedeutet dieser Gewöhnungseffekt für Kundenservice-Merkmale? Bei der kanalübergreifenden Kommunikation zum Beispiel kann man feststellen, dass sie bis vor kurzem als Begeisterungs-Merkmal gewertet werden konnten, aktuell jedoch Kunden viele Kontaktkanäle bereits ausdrücklich erwarten. Mit noch gezielterem Einsatz von Kontaktmöglichkeiten entlang der Customer Journey kann hier eine Steigerung der Kundenzufriedenheit erzielt werden. In naher Zukunft jedoch setzen Kunden diese Vielfalt der Kontaktaufnahme selbstverständlich voraus, sodass man dann von einem Basis-Merkmal reden kann. Der Einsatz von Multi- oder Omni-Channel im Kundenservice ist zurzeit ein hochgehandeltes Thema und erweckt den Eindruck, dass es Kunden begeistert. Dies lässt sich jedoch auf Kundenseite nicht uneingeschränkt beobachten. Vielmehr fordern die meisten noch mehr von einem exzellenten Kundenservice.

Womit können Unternehmen ihre Kundschaft im Kundenservice überraschen und begeistern? Die logische Konsequenz des oben angeführten Modells ist, ein klares Verständnis darüber zu erlangen, welche Eigenschaften und Merkmale zu mehr Zufriedenheit führen. Des Weiteren sollte stetig an der Weiterentwicklung von Merkmalen gearbeitet werden, um dem Gewöhnungseffekt entgegen zu wirken.

Die Suche nach beeindruckenden Kundenservice-Eigenschaften könnte im Bereich der Technologie getriebenen Service-Lösungen liegen, wie z.B. die bereits erwähnte Teleservice-Pannenhilfe. Das Ausschöpfen von technologischen Möglichkeiten und die reibungslose Verzahnung mit Diensten für den Kunden versprechen sehr gute Kundenbindungspotenziale. Ein weiteres aussichtsreiches Entwicklungsfeld stellt die Automatisierung von Prozessen dar. Die Bearbeitung von Kundenanliegen so zu gestalten, dass sie – einmal initialisiert – schnell und fehlerlos durchlaufen, würde ohne Zweifel jedem Kunden gefallen. Auch die Qualität der menschlichen Kontakte und die echte Übernahme von Verantwortung für die Erledigung von Kundenanfragen zeigen sich als besonders attraktiv für Kunden. Bedarf es bei einem Anliegen den Kontakt zu einem Service-Mitarbeiter, kann dieser durch ein professionelles, verbindliches und informiertes Auftreten und durch die Begleitung der Angelegenheit bis zur Fertigstellung, erheblich zur Zufriedenheit und Kundenbindung beitragen.

Der Kundenservice hat das Potenzial ein wichtiger Wettbewerbsvorteil zu sein. Voraussetzung dafür ist die ständige Weiterentwicklung von herausragenden Eigenschaften, denn was sich heute exzellent nennt, ist morgen schon Standard.

– Jasmin Majetic (Berater)
junokai

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