DE | EN

Tipp KW 18 – 2017

Der Kampf um Talente im Kundenservice nimmt weiterhin zu. Hat man es geschafft, neue Mitarbeiter zu finden, beginnt die kritische Einarbeitungs- oder Onboarding-Phase. In dieser Phase geschieht es bedauerlicherweise zu oft, dass die neu eingestellten Mitarbeiter das Unternehmen wieder verlassen, weil sie überfordert sind und sich alleingelassen fühlen. Neben der Tatsache, dass man sich von potenziellen Leistungsträgern verabschieden muss, wurde bereits viel Zeit und Geld bis zum Ausscheidepunkt in den nun nicht mehr vorhandenen Mitarbeiter investiert.

In einer Studie der Aberdeen Group wurde 20131 der Erfolg eines systematischen Onboardings untersucht. Bei Unternehmen ohne strukturierte Integrations- und Einarbeitungsmaßnahmen verblieben lediglich 30 Prozent der Mitarbeiter über das erste Beschäftigungsjahr hinaus im Unternehmen und nur 17 Prozent der neuen Mitarbeiter konnten in den ersten 12 Monaten bereits Leistungs- und Zielvereinbarungen erreichen. Dem gegenüber stehen die Ergebnisse der Unternehmen, die ihre Mitarbeiter geplant und systematisch während der Integrations- und Einarbeitungsphase begleiteten. Ganze 91 Prozent der Mitarbeiter verblieben über das erste Beschäftigungsjahr hinaus und immerhin 62 Prozent der Mitarbeiter konnten erste Meilensteine der Leistungs- und Zielvereinbarungen erreichen.

Onboarding hat die Aufgabe, eine systematische Gestaltung der Integrations- und Einarbeitungsphase neuer Mitarbeiter zu schaffen. So können neue Mitarbeiter auf dem Weg zur vollen Leistungsentfaltung effizient begleitet werden.

Im Folgenden werden die Faktoren eines erfolgreichen Onboardings von Servicemitarbeitern in Contact Centern näher erläutert.
Bereits in der Rekrutierungsphase sollte Transparenz über das potentielle Arbeitsverhältnis geschaffen werden. Hier hilft es, die Erwartungen der Kandidaten abzufragen, ihnen einen intensiven Einblick in das zukünftige Umfeld des Arbeitsplatzes zu gewähren und ihnen Entwicklungschancen aufzuzeigen. Einige Unternehmen sind dazu übergegangen, „Bewerbertage“ einzurichten, in denen Kandidaten nicht nur die Möglichkeit haben, sich vorzustellen, sondern auch die wichtigsten Bereiche des Unternehmens kennen zu lernen. Neben der fachlichen Passung ist auch darauf zu achten, dass bezüglich der Werte und unternehmenskulturellen Aspekte beide Parteien zueinander finden. Denn nur bei einem Zusammenpassen von Werten können sich neue Mitarbeiter langfristig mit einem Arbeitgeber identifizieren.

Vor dem Arbeitsbeginn der neuen Mitarbeiter müssen die wichtigsten „Hausaufgaben“ erledigt werden. Es gilt, die Belegschaft über die Ankunft neuer Kollegen zu informieren. Der Arbeitsplatz und alle notwendigen Dokumente müssen vorbereitet sein. Alle wichtigen Veranstaltungen und Schulungsmaßnahmen, sowie Ablaufpläne der ersten Wochen, gehören bereits zu diesem Zeitpunkt geplant.

Der erste Arbeitstag – Willkommen heißen im Unternehmen: Dies sollte unter allen Umständen ein geplanter und durchstrukturierte Tag sein, in dem der hoffentlich gute Eindruck des Unternehmens weiter vertieft werden kann. Ziel an diesem Tag ist es, dem neuen Mitarbeiter Übersicht und Orientierung zu geben. Dieses gelingt am besten, wenn Ansprechpartner vorgestellt werden, ein Rundgang durch das Unternehmen erfolgt und die wichtigsten organisatorischen Informationen geteilt werden. Ergänzend dazu macht es Sinn, erste Schulungen wie zum Beispiel zum Datenschutz oder Arbeitsschutz durchzuführen. Firmengrundsätze hinsichtlich der Kommunikation und der Zusammenarbeit runden den relevanten Input für Neuankömmlinge ab. Am Ende des Tages sollte man die Chance nutzen, sich Feedback einzuholen, um die Stimmung einzufangen und darüber hinaus Verbesserungen für den Willkommens-Tag ableiten zu können.

In der Regel folgt nach dem Willkommens-Tag sehr schnell die Weiterbildung der neuen Servicemitarbeiter. Hierzu gehören Fach-, System- und Kommunikationsschulungen. Die Schulungen haben zum Ziel, den Mitarbeiter optimal auf den Einsatz in der Operativen vorzubereiten. Zwischen- und Abschlusstests sollen sicherstellen, dass die Wissensinhalte tatsächlich angekommen sind und dass Fähigkeiten erlernt wurden. Es ist nur konsequent, sich in dieser Phase auch von neuen Mitarbeitern zu trennen, wenn die Lernerfolge auch nach wiederholten Übungen und Tests ausbleiben. Durch ein offenes Gespräch besteht die Möglichkeit, Rückschlüsse für das Recruiting und den Auswahlprozess zu erlangen. Zusätzlich bietet diese Phase genügend Raum für das weitere Kennenlernen von Ansprechpartnern und insbesondere der direkten Führungskräfte. Diese sollten Präsenz zeigen und mit den neuen Kollegen in Dialog treten, um so eine Verbindung aufzubauen und soziale Interaktion zu intensivieren. Der neue Mitarbeiter kann so Unsicherheiten reduzieren und fühlt sich bestärkt darin, eine gute Job-Wahl getroffen zu haben.

Der Schock, der sich nach der Schulungsphase einstellt, ist für die meisten neuen Servicemitarbeiter sehr groß, denn sie müssen sich nun im Projekt bewähren. Damit dieser Schock nicht zu heftig ausfällt, ist es ratsam, eine betreute Phase einzuplanen. Diese individuelle Betreuung kann durch Mentoren oder Paten geschehen. Deren Aufgabe ist es, schnelle und spezifische Unterstützungsleistung anzubieten. Gemeinsam mit dem Mentor oder Paten können Arbeitsweisen ausprobiert sowie Tipps und Tricks ausgetauscht werden. Zudem sollte der neue Servicemitarbeiter die Gelegenheit bekommen, das Team, in dem er arbeitet, sowie die angrenzenden relevanten Unternehmensbereiche wie z.B. das Workforce-Management näher kennen zu lernen. So werden nicht nur die kundenbezogenen Arbeitsweisen gelernt und intensiviert, sondern auch die sonstigen unternehmensrelevanten Aspekte vertieft.

Schon während der betreuten Phase und insbesondere in der noch verbleibenden Probezeit hat es sich als erfolgsversprechend erwiesen, dass regelmäßige Entwicklungsgespräche sowie Coachings dazu beitragen, den Mitarbeiter im Sinne einer effizienten und selbstständigen Arbeit weiterzuentwickeln. Die Entwicklungsgespräche dienen einerseits dazu, den Stand des Mitarbeiters hinsichtlich seiner Arbeitsweise festzustellen und andererseits, Zielvereinbarungen zu formulieren. Damit festgelegte Ziele von dem neuen Mitarbeiter erreicht oder besser erreicht werden können, sollte er flankierend Coachings erhalten, aus denen Verbesserungen für die Arbeit mit Kunden resultieren. Die auf diese Art durchgeführte Arbeit mit dem Mitarbeiter lohnt sich, denn die volle Leistungsentfaltung des Mitarbeiters kann so gezielt herbeigeführt werden. Andererseits kann auf diese Weise auch festgestellt werden, dass ein Mitarbeiter doch nicht zu der Arbeit oder zu dem Unternehmen passt. Die Konsequenz daraus sollte allen Parteien klar sein und auch hier führt ein offenes Gespräch zu einem Lernzuwachs auf beiden Seiten.

Ein gutes Onboarding verlangt allen Beteiligten viel ab. Die systematische Integrations- und Einarbeitungsphase muss sowohl der fachlichen als auch der sozialen Dimension gerecht werden. Wenn dies gelingt, haben neue Mitarbeiter nicht nur ihr volles Leistungspotenzial entfaltet, sie fühlen sich obendrein so Wohl im Unternehmen, dass sie gerne bleiben.

– Jasmin Majetic (Berater)
junokai

 

1 Onboarding 2013: A New Look at New Hires, Aberdeen Group, www.aberdeen.com

Um den Tipp der Woche zu abonnieren, klicken Sie hier.